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Deutsche Sprache, schwere Sprache

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Nur eine relativ kurze Strecke trennt meine Behausung von einer relativ großen Flüchtlingsunterkunft, die in einer ehemaligen Kaserne untergebracht ist. Demzufolge gehören Flüchtlinge schon länger zu dem normalen Bild auf den Straßen hier in Hamm.

Damit habe ich kein Problem, wie ich bereits mehrfach in diesem Blog dargelegt habe… immerhin hatten die von uns gewählten Politiker und unsere eigenen Wirtschaftsinteressen (oder zumindest die Interessen mancher Branchen) doch maßgeblichen Anteil an dieser Situation und wir hatten (und haben noch immer!) unsere Vorteile davon, dass es anderen Ländern schlecht ging bzw. schlecht geht.

Ich habe mich in diesem Blog jedoch kritisch über manche meiner deutschen Landsleute geäußert, die in einer Mischung aus Event-Tourismus und etwas naiver Hysterie, wie sie nur in übersättigten Gesellschaften der ersten Welt entstehen kann, Flüchtlinge (die echt wichtigere und existenzieller Sorgen haben) bei ihrer Ankunft wie eine Attraktion zu beklatschen und mit Plüschtieren zu bewerfen.

Es war und es ist meine Ansicht, dass wir sinnvollere und nachhaltigere Angebote zur Integration schaffen (und natürlich auch die Teilnahme daran einfordern) müssen, als Leute mit Kuschelbärchen zu bewerfen.

Der meiner Meinung nach dabei allerwichtigste Ansatz ist es, den Austausch auf persönlicher Ebene zu fördern. Flüchtlinge, die monatelang unter sich eingepfercht bleiben, verpassen gerade in den ersten wichtigen Monaten schon jeglichen Anschluss an unsere “Lebensart”, sobald sich eine Gettoisierung erst einmal in den Köpfen verfestigt hat.

Ich habe übrigens “Lebensart” geschrieben und das Wort “Kultur” absichtlich vermieden, denn was mir die meisten meiner deutschen Landsleute so Tag ein Tag aus zeigen, möchte ich nicht mit dem Wort “Kultur” belohnen… aber das ist ein anderes Thema.

Ich halte es jedenfalls für eine der besten Maßnahmen, wenn sich die (noch) Fremden und die Einheimischen bei verschiedenen Aktivitäten persönlich begegnen und so Bindungen geschaffen werden, über die mehr transportiert werden kann, als über einen amtlichen Abendkurs mit Powerpoint-Präsentationen und Ton-Bild-Schau über das Leben in Deutschland.

Persönliche Erfahrungen sind durch nichts zu überbieten, sei es z.B. durch gemeinsame sportliche Betätigungen oder gemeinsame künstlerische/kulturelle Aktionen zum Beispiel oder indem man einfach mal aufeinander zugeht und miteinander spricht, statt sich gegenseitig abzugrenzen.

So ist meine Haltung dazu und sie hat sich im meinem Leben bereits mehrfach durch positive Erlebnisse bestätigt.

Mit dieser (hier nun etwas ausführlich dargelegten) Haltung betrat ich heute den Weihnachtsmarkt im Maximilian Park in Hamm und lese auf einem Aufsteller (die Dinger, die man mit Veranstaltungsplakaten bestückt und arglosen Leuten in den Weg stellt) auf einem Plakat …

Flüchtlingsjoggen

… und laufe erstmal unbeeindruckt weiter.

Während des ganzen Aufenthalts im Maxi Park (über eine Stunde) ging mir dieses Plakat aber nicht aus dem Kopf und ich begann mich auch zunehmend darüber zu echauffieren, wie man nur auf so einen total blöden Namen für diese Veranstaltung kommen kann!?!

Gemeinsames Kennenlernen bei einer alle verbindenden Tätigkeit wie das Joggen ist ja eine gute Sache, wie ich oben ausführlich dargelegt habe… aber MUSS man das echt dann SO nennen?

Dann kann man es doch gleich “Lauf, Syrer! Lauf!” nennen oder “Iraki-Run” oder was noch dämlicheres, wenn das überhaupt noch möglich sein sollte!

Das ging mir die ganze Zeit im Kopf rum.

Bis ich dann den Maximilian Park wieder verlassen wollte und nochmal an diesem Aufsteller vorbeikam, der mir schon die ganze Zeit ärgerte.

Diesmal hatte ich aber etwas mehr Aufmerksamkeit für das Plakat im Aufsteller übrig und las das große Wort ganz oben noch einmal in Ruhe… und da stand:

Flutlichtjoggen

Also echt, ich bin so ein Depp!!!

Da mach ich mir seit einer Stunde Gedanken darüber, wie man auf einen so hirnrissigen Event-Namen kommen kann und dabei gab es nur einen einzigen Idioten hier, der sich so ein saudummes Wort wie “Flüchtlingsjoggen” ausdenken konnte: ich selbst, weil ich zu schnell und unbedacht gelesen hatte.

Vielleicht sollte ich mal bei Amt für Integration anrufen und fragen, ob die noch einen Dauer-Platz für mich frei haben… ich hab es ganz offensichtlich ziemlich nötig.


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